§ 314 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Gemeingefährliche Vergiftung
Worin besteht bei der gemeingefährlichen Vergiftung in Verbindung mit Drogen die strafbare Handlung?
Die Tathandlung der gemeingefährlichen Vergiftung in Verbindung mit Drogen besteht in der Beimengung von gesundheitsgefährdenden, hier rauscherzeugenden Stoffen oder in der rauschmittelbezogenen Vergiftung von Gegenständen mit öffentlicher Verkaufs- oder Verbrauchsbestimmung (vgl. BeckOK StGB/Bange StGB § 314 Rn. 8) oder im Inverkehrbringen solcher Gegenstände.
Das bedeutet hier im Prinzip nichts anderes, als dass derjenige vom Tatbestand erfasst werden soll, der dadurch eine Gefahr durch die Allgemeinheit schafft, indem er durch Beimengung von Drogen zu Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen des alltäglichen Lebens oder den öffentlichen Vertrieb solch kontaminierter Gegenstände eine Gefahr für einen von ihm nicht kontrollierbaren Personenkreis erzeugt.
Wann kann eine gemeingefährlichen Vergiftung in Verbindung mit Drogen vorliegen?
Vergiften im Sinne des § 314 StGB meint die Schaffung des Zustandes einer Gemeingefahr durch einen Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstand des alltäglichen Lebens, der nicht mehr kontrollierbar ist (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl StGB § 314 StGB Rn. 8). Hierfür muss der diesen Zustand der Gemeingefahr verursachende Gegenstand im Rahmen eines chemischen oder chemisch-physikalischen Prozesses verändert worden sein (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl StGB § 314 StGB Rn. 8), so dass bei bestimmungsgemäßen Gebrauch diese Gefahr der Sache grundlegend innewohnt (vgl. hierzu Lackner/Kühl/Heger StGB § 314 Rn. 3). Dabei ist eine Vergiftung durch Betäubungs- und Rauschmittel durchaus möglich (vgl. hierzu BGH NJW 79, 556; Fischer § 314 Rn. 3). Im Zusammenhang mit berauschenden Substanzen käme hier beispielsweise das Backen von Brownies mit speziellen Zutaten in Betracht, die für eine Feier mit offener Anzahl an Gästen gedacht sind.
Das Beimischen gesundheitsgefährdender Stoffe wiederum meint das Hinzuführen von Stoffen, welche auf mechanischem, chemischem oder physikalischem Wege die Gesundheit zu schädigen instande sind (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl StGB § 314 StGB Rn. 9), zu Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenständen des alltäglichen Lebens (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl StGB § 314 StGB Rn. 9). Dabei muss unter Rückgriff auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf abgestellt werden, dass die mindestens teilursächliche Gesundheitsschädlichkeit des Stoffes schon einmal naturwissenschaftlich bereits nachgewiesen worden ist (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl StGB § 314 StGB Rn. 9; BGH BGHSt 37, 106; BGH BGHSt 41, 206). Dieses Kriterium dürften die meisten Betäubungsmittel in der Regel erfüllen (vgl. hierzu BGH NJW 79, 556; Fischer § 314 Rn. 3). Hierbei kämen beispielsweise das Versetzen von Tee mit Stechapfelsamenkörnern (in Anlehnung an BGH NJW 79, 556) oder potentiell auch das rechtswidrige Beimengen gesundheitsschädlicher Stoffe wie Ammoniak in Zigaretten und Tabak (in Anlehnung an Merten VersR 2005, 465 ff., der hier eine Strafbarkeit nach § 314 StGB begründet sehen will) infrage.
Zwar wird der Tatbestand beider Fälle bei der Produktion von Arzneimitteln aufgrund der Unvermeidbarkeit von Nebenwirkungen und der damit stets einhergehenden Gefahr immer verwirklicht (vgl. Fuhrmann/Klein/Fleischfresser/Mayer Arzneimittelrecht § 45 Rn. 27), allerdings entfällt eine Strafbarkeit bei Beachtung aller einschlägigen Sicherheitsvorschriften hier aufgrund des Konzepts des erlaubten Risikos (Fuhrmann/Klein/Fleischfresser/Mayer Arzneimittelrecht § 45 Rn. 27, 54) sowie dem Eigenverantwortlichkeitsprinzip (Fuhrmann/Klein/Fleischfresser/Mayer Arzneimittelrecht § 45 Rn. 27, 61 ff.).
Zuletzt meint das Inverkehrbringen von Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenständen des alltäglichen Lebens hier das derstalt erfolgende Entlassen des jeweiligen Gegenstandes aus der eigenen Verfügungsgewalt, dass ein anderer die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Gegensta (BeckOK StGB/Bange StGB § 314 Rn. 15; BGH NJW 1996, 2802 zu § 146). Darunter fallen auch die Bemühungen, dieses Entlassen aus der Verfügungsgewalt unter kommerziellen Gesichtspunkten zu betreiben ( BeckOK StGB/Bange StGB § 314 Rn. 13 – 14; BGH BGHSt 23, 286 = NJW 1970, 1647). In Zusammenhang mit Drogen würde beispielsweise das Aufstellen eines Tellers der zuvor erwähnten selbstgebackenen Brownies mit speziellen Zutaten auf einer Feier mit offener Anzahl von Gästen potentiell unter den Tatbestand der gemeingefährlichen Vergiftung fallen.
Überdies beinhaltet § 314 StGB seit seiner Neufassung durch den Gesetzgeber kein Heimlichkeitserfordernis mehr (BT-Drs. 13/8587, 51), allerdings kann sich nicht derjenige auf den Schutz des Gesetzes berufen, der bei Kenntnis der durch die rechtswidrige Behandlung entstandenen Gefahr den Gegenstand trotzdem erwirbt (vgl. hierzu Seher NJW 2004, 113, 117). Es kommt hier also auf den Verbraucherhorizont im Einzelfall an (vgl. Seher NJW 2004, 113, 116).
Somit kommt dieser Auffassung folgend nach neuerer Rechtsprechung eine Anklage wegen gemeingefährlicher Vergiftung beim Verkauf von synthetischen Kräutermischungen unter anderem deshalb nicht in Betracht, da die Konsumenten hier um die besondere chemische Zusammensetzung und die damit einhergehende Gefahr wissen und diese für den damit beabsichtigten Rauschzustand bewusst in Kauf nehmen (OLG Zweibrücken Beschl. v. 21.4.2016 – 1 Ws 75/16, BeckRS 2016, 08586). Daraus ließe sich durchaus die Schlussfolgerung ziehen, dass auch beim Verkauf von gepanschten Betäubungsmitteln dieser Grundsatz einschlägig sein müsste und somit hier der § 314 StGB keinen geeigneten Auffangtatbestand darstellen würde, falls einschlägige Vorschriften des Betäubungs- und Arzneimittelstrafrechts ausnahmsweise nicht anwendbar wären.
ACHTUNG: Da es sich bei der gemeingefährlichen Vergiftung gemäß §12 StGB um ein Verbrechen handelt, ist nach § 23 Abs. 1 StGB auch der Versuch der gemeingefährlichen Vergiftung strafbar, also die bereits begonnene, aber noch nicht vollendete Tat.
Mir wird eine gemeingefährlichen Vergiftung in Verbindung mit Drogen vorgeworfen – wie soll ich vorgehen?
Die gemeingefährliche Vergiftung spielt im rechtlichen Alltag eine bestenfalls untergeordnete Rolle: So erfasste die Bundeskriminalstatistik für 2015 gerade einmal 5 und für 2016 sogar nur noch 4 Fälle (BeckOK StGB/Bange StGB Vor § 314). Trotzdem kann die gemeingefährliche Vergiftung selbstverständlich als Straftat angedacht werden, sofern ihre Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Zwar dürfte sich das potentielle Anwendungsfeld mit der Einführung des NpSG 2016 und dessen Straftatbeständen noch einmal deutlich reduziert haben, nichtsdestotrotz kann auch diese Norm als Auffangtatbestand zur Anwendung kommen.
Es gilt daher als guter Standard auch hier stets folgende Devise: Ohne Anwalt äußert man sich nicht zu strafrechtlichen Vorwürfen. Bedenken Sie stets, dass wirklich alles, was Sie gegenüber den Ermittlungsbehörden äußern, auch gegen Sie verwendet werden kann und wird.
Da bereits das klassische und gefestigte sich mit Betäubungs- und Arzneimitteln befassende Strafrecht in Deutschland nicht zur juristischen Grundausbildung gehört, empfiehlt es sich gerade in diesen Fällen dringend, einen Experten für das Rechtsgebiet heranzuziehen. Vereinbaren Sie daher schnellstmöglich einen Termin unter 030 120 648 550.