§§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11; Abs. 1 S. 2 BtMG – Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige

§§ 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11; Abs. 1 S. 2 BtMG – Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige

 

Worin besteht beim Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige die strafbare Handlung?

 

Unter dem Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige ist unter Anlehnung an die entsprechenden Überlegungen zum § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 BtMG die öffentliche Mitteilung, also jede Art von wahrnehmbarer Bekanntmachung (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, BtMG § 29 Teil 21 Rn. 15), die sich an eine unbestimmte Vielzahl von Personen wendet (RGSt. 40, 262; BayObLGSt. 1956, 188), über die Möglichkeit einer unerlaubten Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt über sterile Einmalspritzen außerhalb eines gemäß § 10a BtMG eingerichteten Drogenkonsumraums ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an eine dritte, nicht betäubungsmittelabhängige Person, die über die sterilen Einmalspritzen frei verfügen kann (vgl. hierzu BGH NStZ 1991, 89 = StV 1990, 548; BGH NStZ 2014, 717 = StV 2014, 612; BGH NStZ-RR 2015, 218; BayObLG NStZ 2004, 401 = StV 2004, 606), zu verstehen.

 

Das bedeutet im Prinzip nichts anderes, als dass unter dem Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen das  Bekanntmachen von Möglichkeiten zur unerlaubten Übergabe von sterilen Einmalspritzen an (noch) nicht Süchtige außerhalb von durch Gesetz eingeräumten Drogenkonsumräumen zu verstehen ist.

 

ACHTUNG: Ob es sich beim Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige um einen vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Straftatbestand handelt, ist umstritten (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, BtMG § 29 Teil 25 Rn. 1). Das Gesetz spricht nur von der Straflosigkeit des Informierens von Drogenabhängigen über die Abgabe von sterilen Einmalspritzen, welche nicht unter § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 BtMG fallen soll. Als Umkehrschluss lässt sich hieraus aber auch gerade die Strafbarkeit des Informierens über die unerlaubte Abgabe an Nicht-Drogenabhängige ziehen. Das öffentliche Informieren auch von Nicht-Drogenabhängigen über Möglichkeiten zur erlaubten Abgabe von sterilen Einmalspritzen ist selbstverständlich straffrei.

 

Ob sich der so gebildete Tatbestand tatsächlich mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Artikel 103 Abs. 2 GG („Keine Strafe ohne Gesetz“) vereinbaren lässt, bleibt abzuwarten, erscheint aber insgesamt unwahrscheinlich. Grundsätzlich bleibt aber die Möglichkeit bestehen, dass in einem solchen Fall dennoch ermittelt werden kann.

 

Wann kann ein Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige vorliegen?

 

Trotz der dogmatischen Bestimmungsschwierigkeiten lassen sich einzelne Tatbestandsmerkmale klar aus dem Gesetz herauslesen:

 

So muss sich die Bekanntgabe der Möglichkeit an einen unbestimmten Personenkreis richten. Wer in einem vertraulichen Gespräch mit einem Freund erwähnt, wo dieser sterile Einmalspritzen bekommt, der wendet sich an einen klar bestimmten Personenkreis. Hier kommt es wohl wirklich auf die Bekanntgabe an einen zahlenmäßig offenenstehenden Adressatenkreis an, vorstellbar zum Beispiel durch das Aufhängen von Plakaten in einer Einkaufsstraße oder ein Ausschreiben in einem öffentlichen Facebookposting.

 

Dabei muss neben der Bekanntgabe selbst speziell über die Möglichkeit einer unerlaubten Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige informiert worden sein. Das hierfür benötigte Wissen muss faktisch sein, darf also nicht auf bloßen Vermutungen beruhen. Dies ergibt sich aus dem Schutzgut der sogenannten Ehrdelikte im Strafgesetzbuch, welches unter anderem den guten Ruf von anderen Personen vor wahrheitswidrigen Behauptungen schützen soll. Die wahrheitswidrige öffentliche Behauptung, dass eine Person eine Betäubungsmittelstraftat  begehen würde, ist somit durch die Ehrdelikte erfasst und bedarf keiner darüber hinaus gehenden strafrechtlichen Regelung im Betäubungsmittelgesetz. Es bedarf somit auch inzident der Verwirklichung des Tatbestandes der unerlaubten Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige.

 

Den Tatbestand der unerlaubten Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige kann nur verwirklichen, wer sterile Einmalspritzen abgibt. Nicht steril sind aber bereits gebrauchte Einmalspritzen, deren Ausgabe somit nicht vom Tatbestand erfasst wird.

 

Außerdem kann gemäß des Ausschlusskriteriums im § 29 Abs. 1 S. 2 BtMG nur die Abgabe an nicht Nicht-Drogenabhängige erfasst sein. Ist der Betreffende bereits abhängig von Betäubungsmitteln, ist die Anwendung des Tatbestands somit ausgeschlossen.

 

Überdies muss auch wirklich eine Abgabe vorliegen, also das Erlangen des faktischen Besitzes an den sterilen Einmalspritzen durch den Nicht-Drogenabhängigen. Erst wenn dieser die tatsächliche Sachherrschaft über die sterilen Einmalspritzen besitzt, liegt eine vollendete Tat vor.

 

Auch muss die Abgabe in einem konkreten Bezug zum Konsum von Betäubungsmitteln stehen, das heißt, es muss für den potentiellen Täter bei Einhaltung der verkehrsüblichen Sorgfaltspflicht ersichtlich gewesen sein, dass die abgegebenen Einmalspritzen für den Konsum von Betäubungsmitteln vorgesehen waren. Zwar ergibt sich dieses Tatbestandsmerkmal so nicht ausdrücklich aus dem Wort, dafür aber aus der Stellung des Tatbestandes im Betäubungsmittelgesetz.

 

Zuletzt muss die Abgabe außerhalb eines gemäß § 10a BtMG ordnungsgemäß erlaubten Drogenkonsumraumes stattfinden. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 29 Abs. 1 S. 2 BtMG explizit auf § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 verweist. Hierbei ist die negative Form der Verweisung unbeachtlich. Sollte die tatsächlich nicht benötigte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige in Räumlichkeiten mit entsprechender Erlaubnis durch die oberste Landesbehörde stattfinden, so ist der Tatbestand nicht verwirklicht. Erst außerhalb solcher Räumlichkeiten kann ein geeigneter Tatort vorliegen.

 

ACHTUNG: Bei dem strafbaren Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige handelt es sich zwar um einen Sonderfall des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, nichtsdestotrotz bildet dieser einen sogenannten Grundtatbestand. Ein höheres Strafmaß käme hier konsequnterweise immer dann in Betracht, wenn Sie beim Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige gewerbsmäßig gehandelt haben sollen (§ 29 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BtMG).

 

Da es sich bei dem Tatbestand um einen Sonderfall des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 BtMG handelt, ist gemäß § 29 Abs. 4 im Übrigen auch die fahrlässige Begehung, also die Begehung ohne Vorsatz unter Verletzung einer gravierenden Sorgfaltspflicht, strafbar.

 

Mir wird das Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige vorgeworfen – wie soll ich vorgehen?

 

Auch wenn der Straftatbestand selbst dogmatisch schwer begründbar bleibt, ist es dennoch möglich, das Informieren über die unerlaubte Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Nicht-Drogenabhängige als einen Sonderfall des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 BtMG strafrechtlich zu ahnden. Wie zuvor erklärt kommt es bei der Verwirklichung dieses Sonderfalls auf eine vorsätzliche Begehung gar nicht an. Somit ließe sich der Straftatbestand häufig grundsätzlich andenken, falls sich kein anderer Strafgrund finden lässt, und bleibt in seiner Handhabung in der Praxis der Einzelfallentscheidung der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft unterworfen.

 

Es gilt daher als guter Standard auch hier stets folgende Devise: Ohne Anwalt äußert man sich nicht zu strafrechtlichen Vorwürfen. Bedenken Sie stets, dass wirklich alles, was Sie gegenüber den Ermittlungsbehörden äußern, auch gegen Sie verwendet werden kann und wird.

 

Da bereits das klassische und gefestigte sich mit Betäubungs- und Arzneimitteln befassende Strafrecht in Deutschland nicht zur juristischen Grundausbildung gehört, empfiehlt es sich gerade in diesen Fällen dringend, einen Experten für das Rechtsgebiet heranzuziehen. Vereinbaren Sie daher schnellstmöglich einen Termin unter 030 120 648 550.